D)   Verkehrserschließung und Industrialisierung

    1)   Verkehrswege

    Bottrop lag lange abseits von überregionalen Durchgangsstraßen. Im Norden berührte der "Alte Postweg" von Düsseldorf
    nach Münster das Gemeindegebiet, doch war der Dorfkern etwa 4 km von dieser Straße entfernt. Nur geringe Bedeutung
    hatte die "Vestische Landstraße", die von Osterfeld über Bottrop ( Altmarkt ) , Gladbeck, Buer und Westerholt nach
    Recklinghausen und Lünen führte. Nach Essen gab es nur einen Fußweg durchs Emschertal, der bei feuchtem Wetter nicht
    passierbar war.
    Erst ab 1870 wurden die Verkehrsverbindungen besser. Die Vestische Landstraße erhielt einen festen Straßenbelag und
    die Verbindung zur Hauptstraße Münster-Köln wurde hergestellt. Neue Straßen zu den Nachbarorten Karnap und Horst
    wurden angelegt. Erst wesentlich später gelang die Überbrückung des Emschertals nach Essen. Es entwickelten sich also
    zuerst Straßenverbindungen von West nach Ost.
    Ähnlich war es bei den Eisenbahnen. 1847 wurde die Köln-Mindener Strecke eröffnet, die noch nicht über Bottroper
    Gebiet führte. Haltepunkt für Bottrop war Borbeck. 1873 war die Emschertalbahn fertig, die von Sterkrade über Bottrop
    ( Bahnhof Süd ) nach Wanne führte. Die erste Nord-Süd-Strecke über den Emscherbruch entstand 1878, sie ging von
    Oberhausen über Bottrop (Bahnhof Nord ), Dorsten, Coesfeld und Rheine nach Quakenbrück. 1905 kam noch eine
    Strecke nach Hamm dazu. Erst 1922 entstand die direkte Verbindung nach Essen. So ist es nie zu einem wirklichen
    Hauptbahnhof Bottrop gekommen, da die einzelnen Linien zunächst aneinander vorbeiliefen. Der jetzige "Hauptbahnhof"
    ähnelt mit seinen drei nicht überdachten Bahnsteigen eher einem Dorfbahnhof. D-Zug-Station für Bottrop ist Essen oder
    Oberhausen. Für den innerstädtischen und den Verkehr mit den Nachbarorten haben heute Straßenbahn- und Buslinien
    die größte Bedeutung.
    Der Nachteil der fehlenden Eisenbahnfernverbindungen wir aber durch die sehr günstige Lage an wichtigen Fernstraßen
    praktisch aufgehoben. Im Norden der Stadt führt die Autobahn Köln-Hannover ( Abfahrt Bottrop ) vorbei und der auf
    Bottroper Gebiet liegende Teil des neuen Emscherschnellweges ( Entlastungsstrecke für den Ruhrschnellweg ) ist bereits
    fertig. Die geplante Emslandautobahn ( nach Emden ) soll auf Bottroper Gebiet enden bzw. beginnen.
    Wichtig als Nord-Süd-Verbindungen sind noch die Bundesstraßen 223 und 224, die das Stadtgebiet im Westen und
    Osten berühren.
    Der Rhein-Herne-Kanal ( seit 1914 ) im Süden der Stadt wurde besonders für den Bergbau wichtig. Die Bergwerks-
    gesellschaften haben dort eigene Häfen.
    Diese relativ günstige Verkehrslage Bottrops ist auch in Zukunft die wichtige Grundlage für eine Weiterentwicklung und
    das Weiterleben der Stadt, falls der Bergbau noch weiter zurückgehen sollte.

    2)   Der Steinkohlenbergbau

    Die rasante Entwicklung Bottrops vom Dorf zur Großstadt beruht auf den reichen Kohlevorkommen unter dem Stadt-
    gebiet. Das Deckgebirge über den Kohle führenden Schichten besteht aus Kreidemergel. Seine Mächtigkeit nimmt von
    Süden nach Norden zu. Bei den Zechen im Süden der Stadt fand man die Kohle bereits in 180 m Tiefe, im Norden erst
    bei 350 m. Die Karbonschichten sind vielfach gefaltet und verworfen, es haben sich Sättel und Horste bzw. Mulden und
    Gräben gebildet.
    Graben_Horst
                                   Horstbildung                                                                            Grabenbruch

    Im "Königshardter Graben" liegen die Schächte "Jakobi" und "Franz Haniel", auf dem Bottroper Horst die Prosper-
    zechen I / II und III.. Im Kirchhellener Graben liegen die Schachtanlagen "Rheinbaben", "Arenberg-Fortsetzung" und
    "Vereinigte Welheim".
    Folgende Tabelle zeigt die Entwicklung des Bergbaus auf Bottroper Boden :

Zeche
abgeteuft
Förder-
beginn
Deckgebirge
   in Metern
 1.-Sohle
   Meter
Kohleart
Prosper I
   1856
  1863
       180
     233
Fettkohle
Prosper II
   1871
  1875
       200
     247
Gasflammkohle
Rheinbaben
   1896
  1900
       320
     340
Gaskohle
Prosper III
   1905
  1908
       280
     350
Gaskohle
Arenberg-Fortsetzung
   1909
  1912
       280
     356
Gasflammkohle
Vereinigte Welheim
   1913
  1914
         ?
       ?
         ?
Franz Haniel
 1919/39
  1952
       330
     428
Gaskohle


    Die Anzahl der Beschäftigten auf den einzelnen Schachtanlagen betrug im Jahre 1954 :

Prosper I
Prosper II
Rheinbaben
Prosper III
Arenberg-Fortsetzung
Vereinigte Welheim
Franz Haniel
    1751
    3229
     3250
     4264
                 0
            1716
      1753

    Parallel zur Industrialisierung wuchs die Bevölkerungszahl, besonders um die Jahrhundertwende, sprunghaft an.
    Bevölkerungsentwicklung von 1820 bis 1971 :

1820
1871
1885
1905
1925
1939
1956
1957
1958
1959
1960
1961
1971
1972*
2413
5877
10557
36773
82159
83385
105688
106144
106467
108855
110717
113732
108000
105500
    *Die Zahl für 1972 ( Juli ) wurde nachträglich vom Autor ergänzt.

    Im Bottroper Gebiet werden Fett-, Gas- und Gasflammkohlen gefördert. Dies ist für die Bedeutung und Größe der Zechen
    wichtig, da sich ihre Kohlen gut zur Verkokung oder chemischen Verarbeitung eignen. Um weite Transportwege zu sparen,
    wurden zunächst auf mehreren Schachtanlagen Kokereien errichtet, die 1928 von der Zentralkokerei nahe Prosper II
    abgelöst wurden. Diese Kokerei hatte 1954 etwa 560 Beschäftige und ist eine der modernsten und größten Anlagen
    dieser Art in Europa.
    Auf mehreren Zechen entstanden Kraftwerke, die meist minderwertige Kohlen verfeuern, so z.B. auf Rheinbaben mit
    modernster Filtertechnik zur Reinigung der Abgase. Die Kraftwerke decken den Eigenbedarf der Zechen an Strom und
    liefern darüber hinaus noch Strom an das öffentliche Netz zur Deckung von Bedarfsspitzen.
    Neben der Kokereiindustrie spielt die Kohlechemie für Bottrop eine wichtige Rolle. 1937 entstand das Werl "Ruhröl",
    das als eines der ersten im Ruhrgebiet Benzin, Diesel- und Heizöl aus Kohle herstellte. ( Kohlehydrierung = Kohle-
    verflüssigung ). Das Werk war mangels Öllieferungen aus dem Ausland während des 2. Weltkriegs für die Kriegsführung
    äußerst wichtig. Es hatte damals etwa 2000 Beschäftigte. Das Werk wurde durch häufige Luftangriffe schwer beschädigt,
    die Reste wurden nach dem Krieg demontiert. Nach dem Wiederaufbau erreichte es nicht mehr die Vorkriegsgröße,
    es ist aber mit seinen etwa 640 Beschäftigten ( 1954 ) neben dem Bergbau das bedeutendste Industrieunternehmen
    Bottrops.

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